Erstmals wurde heuer ein sogenannter IOF-Major-Event in Südamerika ausgetragen. Die WMOC, die Masters-Weltmeisterschaft im Orientierungslauf, lockte an die 1600 Teilnehmer in die südlichste Region Brasiliens, nach Rio Grande do Sul. Darunter auch 18 österreichische Teilnehmer/-innen, darunter Günter Kradischnig als einzigen Starter des OLC Graz (aus der Steiermark waren auch noch Joachim Friessnig und STOLV-Präsident Herwig Proske vom OC Fürstenfeld dabei). Mit Bettina Kradischnig machte ein weiteres OLC-Mitglied als persönliche Betreuerin die Reise mit.
Bereits auf unserer einwöchigen Brasilien-Rundreise zur Akklimatisierung konnte man die enormen Unterschiede in diesem riesigen Land (immerhin etwa 25x so groß wie Deutschland, bei „nur“ 200 Millionen Einwohnern) kennenlernen.
Sao Paulo, die Riesenmetropole mit rund 15 Millionen Einwohnern im Kerngebiet und Wirtschaftszentrum des Landes, empfing uns nach 16-stündiger Anreise mit regnerischem Frühlingswetter (auf der Südhalbkugel sind die Jahreszeiten bekannterweise genau umgekehrt wie in Europa). Das Stadtzentrum von Sao Paulo weist sehr schöne Teile mit viel Kultur und sehr guten Restaurants auf. Von den rund fünf Millionen Bewohnern der Armenviertel sieht man auf den Straßen auch nicht mehr Homeless-People als in den meisten amerikanischen Großstädten. Eindrucksvoll waren die stundenlangen Siegesfeiern nach der Präsidentenwahl am Sonntagabend, obwohl im eher bürgerlich-konservativen Sao Paulo nur rund ein Drittel für die weiterregierende Präsidentin aus der Arbeiterpartei gestimmt hatten.
Manaus, die 2-Millionen-Industriestadt mitten im Amazonasgebiet bot dagegen 35 Grad bei über 90%-Luftfeuchtigkeit. Eine Bootstour am Rio Negro und am Amazonas, Schwimmen mit den seltenen rosa Flußdelphinen im Rio Negro (die weit verbreiteten Krokodile und Piranhas sind - angeblich - bei weitem nicht so aggressiv, wie man bei uns glaubt – außer man hat irgendwo eine blutende Wunde). Unglaublich auch, dass wir mit dem einheimischen Führer nur etwa 10 Flusskilometer von der Millionenstadt Manaus entfernt einen Stamm von Amazonasindianern besuchen konnten, die erst vor wenigen Jahren im Dschungel des Amazonasdeltas in Peru entdeckt wurden und mittlerweile nach Brasilien flüchten mussten.
Unsere letzte Station vor der WMOC, Rio de Janeiro, beeindruckte uns mit landschaftlicher Schönheit. Neben Zuckerhut und Christusstatue, dem Sambadrom, dem Maracana-Fußballstadion und den endlos langen (Copacabana u.a.) aber auch vielen kleinen Sandstränden sahen wir hunderte Fußballer/-innen mit – mindestens - dem technischen Können unserer Bundesligaspieler. Wer Brasilien von seiner touristischen Seite her kennenlernen will, der muss unbedingt Rio besuchen (das Klima war bei ebenfalls über 30 Grad aber geringerer Luftfeuchtigkeit im Vergleich zum Amazonasgebiet sehr angenehm, der Atlantik mit rund 20 Grad zum Baden sogar eher zu kalt).
Schon ging es nach Akklimatisation und einigen vorbereitenden Lauftrainings in den Süden nach Porto Alegre, wo der erste Sprint-Qualifikationslauf in subtropischem Regen ausgetragen wurde. In einem – trotz zahlreicher künstlicher Zäune - eher einfachen Parkgebiet wurden die Plätze für das A-Finale vergeben. Dieses wurde dann am nächsten Tag im Gebiet um das am zweitmeisten besuchte Naturschauspiel Brasiliens, die Caracol-Wasserfälle schon nahe beim eigentlichen WMOC-Zentralort Canela ausgetragen. Canela (rund 40.000 Einwohner) liegt mit seiner Schwesterstadt Gramado auf einer Hochebene auf etwa 837m Seehöhe ungefähr zwei Autostunden von Porto Alegre entfernt.
Das ganze Gebiet ist touristisch orientiert und im Stil eines alpinen Fremdenverkehrsortes ausgebaut. Hotelnamen wie Alpenhaus oder Hotel Toscana erinnern an Österreich, die Schweiz und Italien. Besonders populär ist das Gebiet auch wegen seiner Schokolademanufakturen und der exzessiven Weihnachtsfeierlichkeiten, bei denen sich von 8. November bis 11. Jänner eine Weihnachtsparty an die andere reiht (und zwar wirklich professionell im Stile der großen Disney-Shows). Trotzdem war die WMOC bei der Bevölkerung allgegenwärtig und wurde sogar bei der Weihnachtseröffnungsshow vor tausenden Besuchern entsprechend gewürdigt. Und das alles bei frühsommerlichen Temperaturen von an die 30 Grad, die aber von Regentagen abgelöst wurden, an denen die Temperaturen bis auf ungefähr 10 Grad absinken konnten.
Die Laufgebiete waren eine Mischung aus künstlich angelegten Föhrenwäldern und ursprünglichem brasilianischen Dschungel, wie wir ihn auch im Amazonasgebiet nicht anders gesehen hatten. In diesen regenwaldähnlichen Waldgebieten spielten sich vor allem beim Modellevent wahre Dramen ab. So musste ein hier nicht namentlich genannter österreichischer Teilnehmer, der noch am Vortag einen Top30-Platz im Sprint-A-Finale erreicht hatte, nach eineinhalb Stunden Herumirrens im Dschungel entnervt das Training abbrechen, ohne einen einzigen Posten gefunden zu haben. Wer die drei kurzen Modell-Posten im Dschungel in einer Zeit von unter 30 Minuten absolvieren konnte, zählte an diesem Tag schon zu den Allerschnellsten.
Die größte Herausforderung in den Föhrenwäldern mit recht anspruchsvollen Höhenformen war dagegen der tiefe Boden. Das gesamte Gebiet war von einer 20-30cm-dicken Nadelschicht bedeckt und mit Resten von dürren Stämmen und Ästen von der intensiven Waldbewirtschaftung übersät. Man hatte, wie ein deutscher Kollege in seinem Beitrag schrieb, das Gefühl permanent auf einer Hochsprungmatte zu laufen (oder in einem Sumpf, von denen es übrigens auch nicht allzu wenige gab).
Die Karten waren von ansprechender Qualität, auch wenn sie nicht ganz das in unseren Breiten übliche Niveau erreichten. Die Bahnlegung war wie immer bei der WMOC sehr anspruchsvoll und forderte den Wettkämpfern auch physisch einiges ab. Vor allem die Langdistanzen waren durch wenige Posten und dadurch echten Langdistanzcharakter gekennzeichnet (bei uns läuft man ja leider häufig verlängerte Mitteldistanzen mit über 15-20 Posten).
Trotz der aufgrund der langen Anreise etwas geringeren Teilnehmerzahlen waren absolute Spitzenplätze wie immer schwer zu erreichen (die Erfahrung zeigt, dass viele schnelle Senioren auch von langen Reisewegen nicht abzuschrecken sind).
Günter Kradischnig erreichte in der H50 mit zwei A-Finalqualifikationen und dort dem 32. Platz im Sprint sowie dem 33. Platz über die Langdistanz wie auch im vergangenen Jahr Plätze im Mittelfeld des A-Finales. Schade, dass zum ersten Posten im Sprint ein grober Routenwahlfehler passierte, hier wäre ein Top-20-Platz und damit die mit Abstand beste persönliche WMOC-Platzierung möglich gewesen. Über die Langdistanz war vom läuferischen Potenzial her wohl nicht mehr als ein Platz um 30 drin (schade, dass es dann doch deutlich einfacher als beim Modell-Event war und selbst auf den langen Bahnen nur jeweils 1-2 schwierige Dschungelposten anzulaufen waren). Insgesamt zeigte sich Günter mit seinen Leistungen zufrieden, er konnte bei allen Bewerben anders als in der heurigen nationalen Saison recht gute Läufe mit nur wenigen kleinen Fehlern zeigen.
Überhaupt die beste österreichische Platzierung erreichte Joachim Friessnig mit dem 9. Platz im Sprintfinale, obwohl er sich kurz vor dem Ziel mit einer Liane fast stranguliert hätte.
Über die Langdistanz bleiben den Österreicher/-innen die absoluten Spitzenplätze verwehrt. Selbst die Austria-Cup-Sieger und –Dominatoren wie Josef Hones (20. Platz), Joachim Friessnig (34. Platz) und Paul Grün (72. Platz) blieben unter ihren Erwartungen. STOLV-Präsident Herwig Proske war mit seinem letzten Antreten in der H50 trotz guter Vorbereitung und tollen Trainingsleistungen nicht zufrieden: in der Sprintqualifikation wegen eines übersehenen Postens disqualifiziert und im Langdistanz-A-Finale wegen eines Fehlers im Schlussteil nur an 42. Stelle.
Hier sind die Ergebnisse und Karten mit Bahnen zu finden: http://www.wmoc2014.org.br/en/resultados/